Medizinisches Know-how in der Praxis
Für den Weg zur Gesundheit braucht man einen kompetenten Fahrplan. Damit Sie als Arzt von Anfang an über sämtliche Stationen für die Vorsorgemaßnahmen Ihrer Patient:innen im Bilde sind, stellen wir Ihnen die wichtigsten Informationen für die Mutter-Kind- sowie Vater-Kind-Maßnahmen zur Seite.
Rechtsgrundlage
Mutter/Vater-Kind-Vorsorgen waren bislang Ermessensleistungen der Krankenkassen. Anträge wurden teilweise mit dem Hinweis abgelehnt, dass noch nicht alle ambulanten Maßnahmen am Wohnort ausgeschöpft wurden. Mit dem GKV-WSG wird ausdrücklich klargestellt, dass der Grundsatz "ambulant vor stationär" im Bereich der Mutter-Kind-Maßnahmen nicht gilt. Weil die körperlichen und seelischen Belastungen im Familien- und Erziehungsalltag krank machen können, sind Mütter-, Mutter-Kind- sowie Vater-Kind-Maßnahmen als stationäre Leistungen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation seit dem 1. April 2007 Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenkassen.
Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen sind in den Paragraphen 24 (Vorsorge) und 41 (Rehabilitation) des SGB V verankert. Die Vollfinanzierung durch die Krankenkassen ist vorgeschrieben. Die Durchführung ist in Häusern mit einem Versorgungsvertrag nach § 111a SGB V gewährleistet. Die Regeldauer ist gesetzlich auf drei Wochen festgelegt.
Die Überprüfung der Anträge zu Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen erfolgt jetzt nicht mehr grundsätzlich, sondern nur noch stichprobenartig. Es obliegt den Krankenkassen, ein Verfahren zur Auswahl der Stichprobe festzulegen.
Voraussetzungen
Grundsätzlich haben alle Frauen und Männer in Familienverantwortung Anspruch auf eine medizinische Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme nach §§ 24 und 41 SGB V, wenn diese medizinisch indiziert ist und die Ärztin oder der Arzt die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme attestiert hat.
Leistungen zur medizinischen Vorsorge sind indiziert,
- wenn beeinflussbare Risikofaktoren oder Gesundheitsstörungen vorliegen, die voraussichtlich in absehbarer Zeit zu einer Krankheit führen werden
- oder wenn die gesundheitliche Entwicklung eines Kindes gefährdet ist (Primärprävention).
Eine Vorsorgebedürftigkeit besteht auch, wenn bei manifester (chronischer) Krankheit
- drohende Beeinträchtigungen der Aktivitäten verhindert werden sollen
- oder das Auftreten von Rezidiven beziehungsweise Exazerbationen (d. h. Rückfälle und Verschlimmerungen) vermieden bzw. deren Schweregrad vermindert oder dem Fortschreiten der Krankheit entgegengewirkt werden soll (Sekundärprävention)
- und ein komplexer mehrdimensionaler und interdisziplinärer Behandlungsansatz erforderlich ist.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind indiziert, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung
- voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivitäten vorliegen, durch die in absehbarer Zeit Beeinträchtigungen der Teilhabe drohen
- oder diese bereits bestehen
- und ein komplexer mehrdimensionaler und interdisziplinärer Behandlungsansatz erforderlich ist.
Bei der Beurteilung sind die umwelt- und personenbezogenen Kontextfaktoren zu berücksichtigen.
Der Antrag
Die Mutter bzw. der Vater stellt den Antrag bei der Krankenkasse. Der behandelnde Arzt muss vor der Beantragung der Maßnahmen Folgendes prüfen bzw. festlegen:
- die Vorsorgebedürftigkeit oder Rehabilitationsbedürftigkeit,
- die Vorsorgefähigkeit oder Rehabilitationsfähigkeit,
- die Vorsorgeprognose oder Rehabilitationsprognose sowie das Vorsorgeziel oder Rehabilitationsziel, unter Berücksichtigung der Erforderlichkeit eines Milieuwechsels und der Entlastung von den Alltagsaufgaben als notwendige Voraussetzung für den Maßnahmenerfolg
Ärztliches Attest
Für die Mutter oder den Vater und jedes begleitende Kind muss jeweils ein ärztliches Attest (Verordnung medizinische Vorsorge für Mütter und Väter gemäß §24 SGBV; Formular 64 Teil A / 65) erstellt werden. Neben der Nennung der Diagnosen (nach Möglichkeit ICD-kodiert) sollte hier insbesondere das Bestehen von Risiko- und Belastungsfaktoren aufgeführt und eine Begründung für die Notwendigkeit einer stationären Maßnahme gegeben werden.
Einige Erläuterungen zum Attest:
Bedürftigkeit
Die Bedürftigkeit ist für Vorsorgemaßnahmen (§ 24 SGB V) gegeben, wenn erhebliche Risikofaktoren im somatischen oder psychosozialen Bereich vorliegen, die das Auftreten akuter oder chronischer Erkrankungen begünstigen oder wahrscheinlich machen. Hierzu zählen im somatischen Bereich z. B. Übergewicht, Bewegungsmangel und Insuffizienzen des Bewegungsapparates, im psychosozialen Bereich jegliche Formen von erhöhter bzw. anhaltender Stressbelastung und ungünstiger Lebensumstände.
Für die Genehmigung einer Rehabilitationsmaßnahme (§ 41 SGB V) wird das Vorliegen chronischer Erkrankungen gefordert. Hierzu sind auch chronische Erschöpfungszustände und anhaltende psychogene Reaktionen auf Belastungssituationen (z.B. Persönlichkeitsveränderungen, reaktive Depressionen und sogenannte Anpassungsstörungen) zu verstehen.
Fähigkeit
Bestehende gesundheitliche Risikofaktoren oder chronische Erkrankungen müssen grundsätzlich durch die Therapiemaßnahme behebbar oder positiv beeinflussbar, also einem entsprechenden Therapiekonzept zugänglich sein. Hierzu wird die Formulierung entsprechender Vorsorgeziele gefordert. Die Patientin oder der Patient muss zur Nutzung der Therapieangebote und zur weitergehenden Selbstversorgung bzw. Versorgung der Kinder in der Lage sein.
Motivation
Eine Veränderungsmotivation und der Wille zur aktiven Teilnahme und Nutzung entsprechender therapeutischer Maßnahmen müssen bei unseren Patient:innen erkennbar sein.
Selbstbericht des Patienten
Jede:r Patient:in sollte als Anlage zum Kurantrag und den ärztlichen Attesten den Selbstauskunftsbogen des Müttergenesungswerkes für Mutter/Vater und Kind ausfüllen. Hierin sollten die bestehenden Beschwerden, ihre soziale Situation, ihre Belastungen und Einschränkungen mit eigenen Worten beschrieben werden. Es sollten die Ziele und Erwartungen für die Vorsorgemaßnahme formuliert und möglichst auch beschrieben werden, welche Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes bisher selbst durchgeführt wurden bzw. warum solche bisher nicht durchführbar waren. Mit einem Selbstbericht kann sich der MDK ein besseres Bild über die Gesamtsituation machen und erhält insbesondere auch Informationen zur Vorsorgemotivation.
Empfehlung einer Mutter-/Vater-Kind-Klinik
Die einzelnen Kureinrichtungen verfügen über unterschiedliche Behandlungsschwerpunkte. Die Vorsorgeindikationen für das ASB Mutter-Kind-Therapiezentrum finden Sie in der Navigation unter Indikationen.
Versicherte haben ein Wunsch- und Wahlrecht. Die Krankenkassen müssen bei der Wahl der Einrichtung die berechtigten Wünsche der Versicherten in angemessenem Umfang berücksichtigen.
(SGB I § 33 und SGB IX § 9 Abs. 1)
Wie geht es weiter?
Die Krankenkasse bzw. der MDK entscheidet über die Genehmigung einer Mutter-/Vater-Kind-Maßnahme anhand der vorliegenden Unterlagen. Er kann hierzu eine persönliche Begutachtung des Patienten durchführen. Bei ablehnendem Bescheid ist ein Widerspruchverfahren möglich.
Was benötigen Patient:innen?
Bitte geben Sie Ihren Patienten wichtige Befunde als Kopie zur Einsicht durch den Arzt unserer Einrichtung mit, um eine qualifizierte Behandlung zu ermöglichen. Bestehende Dauermedikationen müssen für die Zeit der Vorsorge in ausreichender Menge verordnet und mitgebracht werden, da lediglich Akutmedikationen im Vorsorgebudget enthalten sind. Auch sollten die Patienten alle erforderlichen persönlichen medizinischen Hilfsmittel mitbringen. Infektiöse Erkrankungen sollten bei Maßnahmeantritt nicht bestehen. Im Zweifelsfall halten Sie bitte Rücksprache mit der Vorsorgeklinik.
Was geschieht nach der Kur?
Sie erhalten von der Klinik einen ärztlichen Vorsorgebericht, in dem neben Verlauf und Erfolg der Vorsorgemaßnahme auch konkrete Vorschläge für weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen aufgezeigt werden.
Quellen:
Bundesministerium für Gesundheit, Referat Öffentlichkeitsarbeit, 11055 Berlin
Elly Heuss-Knapp-Stiftung, Deutsches Müttergenesungswerk, Bergstraße 63, 10115 Berlin
Stand: April 2007
Strandstraße 22
18181 Ostseeheilbad Graal-Müritz